BERLINALE 2024: STERBEN & DES TEUFELS BAD

Ich war diesmal nur in 2 Berlinale-Filmen. Gefühlt allerdings in 16. Und meine immerwährende Frage, was einen guten Film ausmacht und ob es wichtig ist, dass man sich beim Gucken irgendwie gut fühlt, oder zumindest schlau oder fasziniert, oder ob man sich winden, quälen, langweilen, zu Tode fürchten sollte und es dann erst richtig gut ist, hat sich immerhin um 2 Facetten erweitert. 

Facette 1: der Hybris-Film. Hier auch noch mit autobiographischen Bezügen, wobei ich dringend für Herrn Glasner hoffe, dass er um der Schauwerte oder was auch immer Willen noch einige Schippen draufgelegt hat. "Sterben" ist inhaltlich dreigeteilt, qualitativ zweigeteilt. 3 oder eigentlich 4 Stories, die sich alle um Glasner aka Lars Eidinger aka den Sohn, Bruder, Dirigenten, Hilfspapa Tom Lunies drehen, mehr oder weniger miteinander verwoben, ein zarter Rashomon-Effekt wurde auch eingebaut, der nicht viel bringt, aber so können wir alle mal ganz laut "Rashomon" sagen, was ja immer gut kommt. Die erste Episode dreht sich um alte, dahinscheidende Eltern, und ist ganz toll. Nicht ironisch gemeint, der Part ist großartig, berührend, komisch, traurig und gipfelt in einem der bittersten und besten Dialoge am Kaffeetisch, die ich je gesehen habe. Spätestens als Corinna Harfouch, die die Mutter spielt, Tom am Ende des Gesprächs fragt, ob er noch Kuchen will, dachte ich, ich sitze im besten Film aller Zeiten. Leider legt sich das in der nächsten Episode, die von Toms saufender, rumvögelnder, hoffnungslos kaputter Schwester bestimmt wird. Stille Tage in Klischee (Helge Schneider). Bloß nicht still, sondern schrill. Gut, wir kriegen Ronnie Zehrfeld endlich nackt zu sehen, aber ob es das nun wert war? Egal, jetzt wird zunehmend auf die Kacke gehauen, alles muss raus, immer mehr muss der Film beweisen, immer weniger kommt an. Gipfelnd in der verkorksten Story um einen mit der Musik und dem Leben hadernden Komponisten (Gwisdek - wer sonst), der ständig über die wabernden Grenzen von Kunst und Kitsch sülzt und in seiner eigenen Episode den besten Beweis dafür liefert, dass beides sehr gut in einen Film passt, zumal in einen dreistündigen. Gesamteindruck: Uff hoch 3. Hätte ohne Hybris, dafür mit Fokus aber echt was Tolles werden können.

 
 
Facette 2: das Trauerspiel. "Des Teufels Bad" ist kein Horrorfilm, aber es ist der reine Horror. Eine Art historische Tragödie, die zwar 1750 spielt, aber gefühlt im tiefsten Mittelalter, mit allem Düsteren, Widerlichen, Unerträglichen, das offenbar zum damals so üblichen Alltag eines "Teichbauern" (man lernt dazu!) gehörte. Das Schicksal der jungen Frau ist dabei gar nicht besonders außergewöhnlich. Im Grunde könnte Ähnliches auch im Prenzlberg oder in Wanne-Eickel passieren: Mann keine Lust auf Sex, Schwiegermutter übergriffig, Arbeit nervt. Nur, dass das Environment nicht aus lauschigen 4-Zimmer-Wohnungen, sondern aus kalten dunklen Gemäuern, schlammigen Flusstälern und gespenstischen Wäldern besteht. Und dann kommt sie plötzlich daher, die Depression, keiner weiß, was das Madl hat, viel zu heutig die Krankheit, damals kann keiner drüber reden, dafür gibt es keine Worte außer "des Teufels Bad". Aber weg geht es halt trotzdem nicht, trotz der interessanten Heilmethoden des Baders, gegen den jeder heutige Metzger ein zartfühlender Feingeist ist. Tja, und was macht man dann, wenn man für das, was man sein soll, nämlich Ehefrau und Mutter und fleißige Bäuerin, nicht mehr taugt? Hmmm... Leider alles wahnsinnig gut gemacht, viel zu echt und schauerlich und deprimierend. An Positivem kann man sich eigentlich nur abholen, dass man selbst nicht dabei war. 

Naja. Ich glaub ich guck jetzt mal Tagesschau, vielleicht ist ja da was Lustiges passiert.




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