IM WESTEN NICHTS NEUES

Dass ich heute morgen im Bett saß und erstmal eine halbe Stunde vor Angst geheult habe, hat sicher nicht nur mit diesem Film zu tun, sondern mit der Gegenwart. Allerdings passte der Film dazu halt auch wie Arsch auf Eimer, und wenn es ein Wort für das Gegenteil von Eskapismus im Unterhaltungssegment gäbe, könnte man es hier und jetzt bestens anbringen. Ich bin relativ unbefangen reingegangen mit so ner Mischung aus deutschem Pflichtgefühl (Branche meets Vergangenheitsbewältigung) und einer gewissen Neugier, wie sich der Film im Vergleich zur britischen WK1-Betrachtung "1917" so machen würde  - und in fast freudiger Erwartung, die typischen Nasen ausnahmsweise mal nicht in Nazi-Uniformen zu sehen. Stattdessen hier nun allerhand Nickelbrillen und Schnurrbärte. Devid Striesow als kriegsgeiler General, der alles auf die bösen Sozialdemokraten schiebt, schrammt dennoch wie üblich nur haarscharf an der Karikatur vorbei. Doch das sind nur die (der Romanvorlage neu hinzugefügten) Nebenschauplätze, wo man die Entscheider des Gemetzels zB im kaiserlichen Zug beim Verzehr edler Mahlzeiten und beim Ausdealen von Kapitulations-Bedingungen erleben darf. Das ist wenig subtil, aber höchst wirkungsvoll gesetzt, und außerdem würde man ohne diese Erholungsinseln schlicht gleich mit versterben im Kinositz. Im Ernst, ich habe noch nie einen so erbarmungslosen, entsetzlichen, wahrhaftigen (Anti-) Kriegsfilm gesehen wie diesen. Eine einzige Schlachtplatte, die nichts auslässt, leider auch ziemlich genial inszeniert, ohne jedes falsche Pathos oder drübergegossene Musikschmiere, ohne selbstverliebte filmische Sperenzchen wie bei Dunkirk, die einem als Zuschauerin das Leben ja nur leichter machen, weil sie ablenken von der abgrundtiefen Entsetzlichkeit der Welt. Ich muss zugeben, dass ich das dem deutschen Film gar nicht in dieser Schärfe zugetraut hätte. Aber natürlich leuchtet es auch ein, dass gerade wir bei dem Thema konsequent sein müssen, dass es keinen Millimeter Raum gibt für Heldentum oder die winzigste Relativierung. Fazit: "Im Westen nichts Neues" ist für mich die ultimative filmische Manifestation der Sinnlosigkeit des Krieges; näher kann man da meiner Meinung nach nicht rankommen. Ein Film, während dem man nicht weint, aber nach dem man eigentlich nichts anderes mehr tun kann. Darum sei gewarnt, wer sich das auf der großen Leinwand antun will. Wenn er demnächst auf Netflix kommt, kann man das Gesicht wenigstens im Sofa vergraben. 






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