SALTBURN, ÄH... THE HOLDOVERS

Um mal etwas Serviceorientiertheit an den Tag zu legen, präsentiere ich im Folgenden gleich 2 Filme: "Saltburn" und "The Holdovers". Nur über "The Holdovers" zu schreiben, wäre ein bisschen langweilig, obwohl der Film nicht langweilt. Er ist einfach nur sehr... mild, wie ein freundliches Glas warmer Milch mit etwas Honig. Saltburn ist eher sowas wie ein trockener und leider vergifteter Martini. Trotzdem gibts Gemeinsamkeiten. Beide sind zum Teil im angloamerikanischen Bildungsmilieu (Highschool/ Elite-Uni) angesiedelt und drehen sich mehr oder weniger um die gesellschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich sowie um Wohlstandsverwahrlosung superreicher Sprösslinge. Aber das war's dann auch schon. 

"The Holdovers" ist ein unaufgeregter kleiner Film, der 1971 vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs spielt, für zig Oscars nominiert ist und, ich sach ma, keinen einzigen bekommen wird. Er ist einfach zu unspektakulär. Vielleicht aber grade deshalb genau der richtige Film im Moment. Quasi nostalgisches Erholungsprogramm, angelehnt im Look und den Frisuren an die alten Dustin-Hoffman-Filme. Alle drei Hauptfiguren sind super besetzt, und Paul Giamatti ist bekanntlich ein einmaliger, wunderbarer Schauspieler. Wirklich niemand bekommt den klassischen amerikanischen Losertypen bewegender und herzzerreißender hin als er.

Barry Keoghan ist ebenfalls ein einzigartiger Schauspieler, der bei seiner Rollenwahl auch stark zu Außenseitern und Losern tendiert, allerdings hat seinetwegen glaube ich noch niemand auch nur ein halbes Tränchen vergossen, nichtmal in "Banshees of Inisherin" ("There goes that dream"). Denn Keoghan (das "G" in seinem Namen spricht er mit, ist aber nicht sicher, ob das auch stimmt) ist stets ambivalent, mysteriös und latent bedrohlich und schafft es irgendwie, die dunkle Seite in allen Menschen zu verkörpern, die mit ihrem Schicksal nicht einverstanden sind. Eine Art abgründige Arthouseversion des abgehängten Wutbürgers.

Analog zu den Hauptdarstellern ist "The Holdovers" folgerichtig ein milder, netter, tragikomischer Feelgoodfilm, während "Saltburn" versucht, ein tabubrechender, schwarzhumoriger Feelsomittelabersichernichtgutfilm zu sein. Ich sage, dass er das versucht, weil wir das mit den Tabus erstmal nicht gemerkt haben. Im Nachhinein liest man aber überall über die Schockwellen, die der Film offenbar ausgelöst hat, und zwar nicht wegen der halbwegs überraschenden "Period-Sex"-Szene, sondern wegen der Badewasser-incl.-Sperma-Aufschlabber-Szene und der "Ich-ficke-Dein-Grab"-Szene, die mein Liebster und ich eher kaltlächelnd hingenommen haben, obwohl wir sowas auch nicht täglich machen. Es wirkte doch alles ein bisschen gewollt und hatte nicht die organische Anarchie und den Wahnsinn eines Yorgos Lanthimos, dem man so ziemlich alles Abstruse sofort abkauft (und der Keoghan ja auch schon unendlich abgründig besetzt hat). Emerald Fennel (Smaragd Fenchel?) wollte wohl unbedingt krass sein und sowas ödet mich persönlich immer etwas an. Auch wenn Barry K. sicher viel dazu beiträgt, dass es nicht den Bach runtergeht. Was folgern wir daraus? Sind wir altersgemäß irrsinnig abgebrüht? Oder sind wir frech gefragt einfach weniger homophob als die Leute, die immer genau dann total schockiert sind, wenn es um Lust unter Männern geht? Mawaaßesned. Vielleicht erschien uns auch nur alles etwas zu artifiziell, der Film zu berechnend, um wirklich schockierend zu sein - aber dennoch unterhaltsam und von der allzu hurtigen Eskalation gegen Ende abgesehen auch gar nicht schlecht gemacht. Also einfach mal in sich reinhorchen, nach was euch ist, beides ist irgendwie sehenswert - und beides kein absolutes Muss.








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