POOR THINGS
This Barbie has a vagina.
Mic drop. Kurz überlegt, ob ich den Blogeintrag dabei belasse, weil wäre cool. Aber da ich nicht für meine Wortkargheit bekannt bin - ich bin sogar überhaupt nicht bekannt! - fühl ich mich fast so frei wie Bella Baxter und mache einfach, was ich will, und wenn der sogenannte Minifilmblog nachher 10 Seiten hat. Welcher verdammte Mann (sic!) will mich daran hindern?! Heult doch!
Ich sollte voranschicken, dass Yorgos Lanthimos für mich im Bereich Regie eine absolute Ausnahmeerscheinung mit geradezu genialen Anklängen... naja, "war" muss ich hoffentlich noch nicht sagen, nur weil dieses Werk weniger meinen Geschmack getroffen hat als letzthin "The Favourite", oder auch sein ultimativ infames Jugendwerk "Dogtooth". Hier jetzt so: fettes Budget, ausuferndes Production Design, das in seiner Artifizialität tatsächlich an eine Art Tim-Burton-Barbie-Welt erinnert, Hollywood-Stars konnte er ja schon in den letzten Filmen engagieren. Das sind ja auch die guten Stars, die eine gewisse Schrägness voll draufhaben und vor wenig zurückschrecken. Allen voran die durchaus wahnsinnig tolle Emma Stone, die dieses Oeuvre um mindestens 3 Ebenen anhebt, weil man ihr bei allem gerne zuschaut - obwohl ich nicht sicher bin, dass Äpfel unbedingt das geeignetste Obst zum Masturbieren sind. Aber mit irgendwas muss man ja anfangen. Und so ist die erste Stunde ihrer Menschwerdung auch wunderbar anzusehen, ihre buchstäblichen Babysteps, der reine Egoismus eines neuen Menschen, den die sie umgebenden Männer versuchen, zu erziehen, in eine Richtung, die ihnen in die Hände spielt, der eine als Forschungsobjekt, der andere als Traumfrau, der dritte als leicht formbare Lolita. Doch sie ist eben kein normales Baby, und so wirkt es auch logisch, dass alle daran scheitern, mehr oder weniger einsichtig. Und dann? Kommt Barbie in die "Real World". In diesem Fall heißt das: kurzer Blick in den Abgrund von Armut und Elend, dann Bordell in Paris, wo sie merkt, dass plötzlich nicht mehr alles so läuft, wie sie es sich vorstellt. Hmpf... bei Bordell knirscht es bei mir immer etwas. Lanthimos und der Romanautor wollen zwar eindeutig eine Emanzipationsgeschichte erzählen. Ich behaupte aber mal, eine Frau hätte dafür ein anderes Setting gewählt. Und so kommt die bis dahin schlüssige Figurenentwicklung hier auch schwer ins Wanken. Was will sie dort, warum bleibt sie, warum ist das das nun Teil ihrer "education sentimentale" oder was das Ganze sein soll? Und ist weibliche Lust wirklich das Einzige, das es für sie zu entdecken, verhandeln, bewahren gilt? Von der hier dafür investierten Screentime her könnte man fast zu diesem Schluss kommen, denn Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Bildung und Philosophie werden nur beiläufig gestreift, während der Blick des Films sich immer mehr auf die weinerlichen, schwachen Männer richtet, und wie sie auf das "Monster" Bella reagieren. Zu letzterem: es hat natürlich eine riesige literarische und später filmische Tradition, Frauen, die ihre Lust oder ihr Hirn oder einfach nur ihr Menschsein ausleben wollen, als wahnsinnig oder monströs darzustellen. Dies wird aber auch schon lange mit emanzipatorischen Hintergedanken gebrochen zitiert. Eben deshalb muss man aber meiner Meinung nach schon mal nachfragen, ob hier thematisch nicht mehr Entwicklung dringewesen wäre als die in der 2., seeeehr langen Filmhälfte wiedergekäute Abfolge von Konfrontationen mit Männern (dazwischen auch zwei kleine mit Frauen, die jedoch auch wenig Neues beitragen), begleitet von leider oft überraschend platten Witzen und Dialogen. Aber man muss auch relativieren: für einen Big Budget-Mainstream-Oscarkandidaten mit großen Stars bricht der Film natürlich zahllose Tabus und wird visuell wie inhaltlich diverse Ohren und Augenlider zum Flattern bringen. Naja. Ich hoffe einfach mal, Herr Lanthimos findet demnächst wieder zurück zu seinen unberechenbaren, irren, bösen Wurzeln.
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