ANORA

So, die Wahl ist gelaufen, weiter geht's auf diesem Sender mit dem eskapistischen Programm "Filme, die alle außer mir längst gesehen haben". Heute: Anora. Man harkt sich schon seit Pretty Woman darüber, ob Sexworkertum im Film positiv dargestellt werden kann und sollte. Hier kann man darüber streiten, ob es tatsächlich positiv dargestellt wird. Denn Anora, die Annie genannt werden will, "erotic dancer", scheint sich zwar recht wohlzufühlen in ihrem Job, inclusive kleinerer Unannehmlichkeiten mit schrägen Freiern, über die man sich belustigt mit den Kolleginnen austauscht. Als "Hooker" will sie aber auf gar keinen Fall bezeichnet werden, obwohl sie sich mit dem stinkreichen Oligarchensohn ohne mit der Wimper zu zucken auch auf viel mehr als den üblichen Lapdance einlässt. Und an dieser verwaschenen Grenze scheint für sie wirklich alles zu hängen, ihr Selbstwertgefühl, ihr Stolz, ihre Identität. Wer in der sich rasant entfaltenden Story einen tieferen Sinn suchen möchte, findet ihn vielleicht darin, ihr dabei zuzusehen, wie sie diese Punkte zwangsläufig neu kalibriert. Wer das nicht will, hat immer noch sowas wie eine rasante, etwas kaputte Coming of age Actionkomödie in der russischen Community New Yorks (hach, wie ich Coney Island liebe), mit ein paar niedlich windelweichen Schergen, die ihr eigenes Klischee nicht recht ausfüllen und sich an der zu bewachenden "Prinzessin" auf unterschiedliche Weise die Goldzähne ausbeißen. Der Film wird bei Wikipedia als "romantic dramedy" bezeichnet, für mich eine lachhafte Genreverfehlung, setzen, sechs. Romantic ist hier gar nix, und Richard Gere ist längst pensioniert. Mikey Madison macht das super, Urgewalt Hilfsausdruck, bloß, wieso "Anora" in Cannes die Goldene Palme abbekommen hat, ist mir dann doch einigermaßen schleierhaft. Aber hey, macht Spaß. 

 



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