Sentimental Value

Da ich mein geneigtes wenn auch winziges Publikum gerne mal überrasche, ziehe ich nun nicht den naheliegenden Vergleich zwischen Joachim Trier und Lars „von" Trier. Letzteren verehrt ein geschätzter Filmblog-Kollege gleich derart, dass er den anderen Trier bisher gar nicht bemerkt hat, und nun die fälschlich erworbene Kinokarte gleich im hohen Bogen von sich warf. Ein Fehler! Trier der Jüngere hat vor nun auch schon 14 Jahren den furchtbar traurigen Film „Oslo, 31. August“ gemacht, mit dem er sofort in meine best-of-Liga aufstieg. Und da ich Skandi-Fan und alt wie das Meer bin, war mir schon 5 Jahre vorher „Reprise" über ein paar sehr gesprächige junge Möchtegern-Autoren positiv aufgefallen. Doch ich abschweife. In seinem neuesten und vielleicht komplexesten Werk stachen mir einige Parallelen zu „In die Sonne schauen" ins Auge. Das alte Haus, das gleich zu Beginn eine Persona bekommt, die wechselnden Leben darin, und die Spiegelungen der Frauenschicksale die damit verbunden waren und sind, Frauen, die allesamt hart am Abgrund entlangschramm(t)en. Auch bei Trier ist das Patriarchat noch am Hebel, unnachahmlich personifiziert durch den großen, verfallenden Filmemacher (Stellan Skarsgard), der seine Familie zugunsten der Karriere fleißig vernachlässigt hat und jetzt angeschissen kommt, was zumindest eine der beiden Töchter (Renate Reinsve) gar nicht gut findet. Doch im Gegensatz zum Zirkelschluss bei „Sonne“, wo sich nie etwas ändert, scheinen hier die Machtverhältnisse zu kippen; der alte Meister gewinnt nicht mehr automatisch. Ob sein trotziger Plan, die echte Tochter durch einen Fake zu ersetzen, aufgeht, sei hier verschwiegen. Sowieso spiegelt hier die Fiktion nicht die Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit bricht mit der Fiktion, oder siegt am Ende die Fiktion doch? Mein Gefasel klingt verkopfter, als der Film daherkommt, dort menschelt es bei aller Konstruktion gewaltig. Dysfunktionale Familie wurde lange nicht mehr so berührend erzählt. Ein großer Film, ein großer Regisseur, der mit seiner (das Wort wollte ich schon immer mal sagen) kongenialen Besetzung jeder kleinsten Szene höllisch viel Tiefe abringt. Halt dich ran, Lars!




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