TÁR

Manche finden ihn ja prätentiös. Klar, kann man drauf kommen, die edlen Bilder, die elitäre Grundhaltung der eisigen Hauptfigur, das beiläufige Fachgesimple übers Dirigieren, die unfassbar lässigen Hosenanzüge, allein die viel zu stylische Hütte, die sich Lydia Tár mit Nina Hoss, äh, ihrer Lebensgefährtin in Berlin teilt. Kennt man so nicht aus dem eigenen Umfeld. Vertrauter kommt einem da eher die kleine Butze vor, in die Madame sich zum Komponieren zurückzieht und wohl auch für das eine oder andere Schäferinnenstündchen, genau weiß man's nicht. Aber das grenzt ja dann auch eher an Slumming, denn die ätherische Cate B. in Neukölln ist so ziemlich der größtmögliche vorstellbare Culture Clash, da hätte es die versifften Nachbarn gar nicht gebraucht.

Aber hey, nur wer hoch steht, kann tief fallen. Darum ergibt es schon Sinn, sich erstmal genüsslich in Társ Hybris zu suhlen, in der sie gewandt und ungetrübt von Selbstzweifeln Wokenessfallen meistert, unliebsame Kinder auf Deutsch anschnauzt und attraktive Jüngerinnen um sich schart. Wie ein Alphamännchen quasi - was hier so richtig auffällt, gerade weil über eine Frau erzählt. Und je tiefer Tár abstürzt, umso weniger versteht sie die Welt um sie herum, umso mehr geht sie sich selbst verloren, weil sie sich wohl nie wirklich hatte, sondern nur ein sehr, sehr geiles Hosenanzug-Spiegelbild. Schauerlich peinlich, das mit anzusehen. Aber hey, wer sieht nicht gern der selbsternannten Elite beim Scheitern zu. 

 


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